Michael Rettinger, 08.09.2022
Nutzer von Computerspielen verbringen teils viele Stunden in der virtuellen Welt ihres Spiels. Wie nahe lägen da Bankdienstleistungen in einem Videospiel wie "Gran Theft Auto" oder einer Rennserie ähnlich wie "Need for Speed"? Ein Gedankenexperiment.
Tatsächlich ist die Fragestellung gar nicht so hypothetisch, wenn man sich die Szene der Computer- und Videospiele näher anschaut. Der Trend geht nämlich dort hin zu Videospielen, die sehr große Spielhorizonte haben. Das können Spiele sein, die in einer sehr großen virtuellen Umgebung spielen oder Spiele, die nicht auf eine Mission beschränkt sind, sondern später den Kauf von weiteren Missionen in derselben Spielumgebung ermöglichen. Solche "Open-World-Games" gibt es schon seit mehreren Jahren und große Vertreter wie beispielsweise die Gran-Theft-Auto-Serie stellen in Sachen Entwicklungsaufwand und Einnahmen jeglichen Hollywood-Blockbuster in den Schatten. Solche Spiele haben einen Entwicklungshorizont von mehreren Tausend Entwicklerjahren (!), kosten dreistellige Millionenbeträge, die sie wiederum nach dem offiziellen Launch innerhalb weniger Tage einnehmen können.
Der interessante Punkt an solchen Spielen ist dabei das "Unendliche". So ist beispielsweise die fünfte Generation von Gran Theft Auto bereits 2013 auf den Markt gekommen und hat seitdem alle bisherigen Rekorde gerissen. Die sicherlich beeindruckendste Zahl ist dabei der Gesamtumsatz des Spiels, der bis Juni 2022 über 6 Milliarden US-Dollar betrug. Und auch noch heute Umsätze abwirft, da das Spiel stetig mit neuen, kostenpflichtigen Missionen versorgt wird, die die treue Nutzerbasis rund um den Globus gerne kauft.
Faktisch gesehen sind auch solche Open-Universe-Spiele schon eigene Metaversen, vor allem wenn sie Netzwerkmöglichkeiten mitbringen, was heute weitgehend Standard ist. So kaufen schon heute Nutzer sehr gern digitale Objekte wie virtuelle Kleidung für ihre Spielfigur und bezahlen sie mit echtem Geld. Und auch schon Werbepartnerschaften sind in vielen Spielen aktenkundig, beispielsweise in Autorennklassikern, in denen Werbetreibende - ähnlich wie bei der klassischen Bannerwerbung - sehr zielgruppengenau Werbung schalten können.
Der nächste Schritt ist, dass Nutzer nicht nur zum Spielen, sondern auch zum "Abhängen" ins Spiel einsteigen. Das funktioniert vor allem, wenn es um virtuelle Treffen oder um Gemeinschaftsmissionen geht. Hier ist nicht die "Action" der ausschlaggebende Punkt, sondern das Gemeinsame.
Warum zukünftig nicht also auch echte Dienstleistungen im Videospiel? Das muss nicht sofort eine ganze virtuelle Bankfiliale sein, aber schon ein virtueller Geldautomat mit Banklogo, mit dem virtuelle Währung gekauft werden könnte, hätte großen Aufmerksamkeitswert. Utopie? Bedenken wir hierbei, dass jedes heutige Smartphone vor 20 Jahren pure Science-Fiction gewesen wäre.