Sind FinTechs relevant und disruptiv?

Michael Rettinger, 29.06.2016

Matthias Kröner, Gründer und CEO der Fidor Bank, war vor einigen Wochen zu Gast bei einem bemerkenswerte Kamingespräch mit Chris Spinner, Chairman des Financial Services Club. Beide führten ein hochinteressantes Gespräch im Rahmen des Innovate & Finance Global Summit 2016 in London über die Zukunft von Financial Services. Kröner vertritt einige Thesen, auf die wir als Innovationslieferant für Banken eine Replik geben möchten.

In dem fünfzehnminütigen Gespräch (im Bank-Blog finden Sie das Video und eine schriftliche Zusammenfassung) sagte Matthias Kröner, dass die FinTech-Branche eine positive Entwicklung in der Finanzbranche darstellt, jedoch nicht im Ansatz disruptiv sei. Die Schlagkraft der FinTechs und deren Relevanz für die Massen würden fehlen, da die Geschäftsmodelle der FinTechs nicht die vollständige Wertschöpfung beim Kunden abdecken und daher letztlich die breite Kundschaft fehlen würde. FinTechs seien daher keine Konkurrenz für Banken, zumal viele FinTechs für ihren Marktzugang eine Banklizenz einer bereits etablierten Bank nutzen.

Wir haben hier im Bereich Business Innovation für Banken eine andere Haltung, die wir hier als “Gegenrede” einmal darlegen möchten:

Eine Tatsache ist, dass vielen etablieren Banken Konzepte für die Digitalisierung fehlen. Hochproblematisch dabei ist, dass es vielen Banken an einer funktionierenden Innovationskultur fehlt, um digitale Prozesse überhaupt entwickeln und umsetzen zu können. Die Erfahrung aus vielen Wirtschaftsbereichen zeigt, dass eine echte Innovationskultur Manpower, Zeit und Investition erfordert.

Zur genaueren Analyse der aktuellen Situation stellt sich die Frage, wie es so weit kommen konnte, dass auch nach über 20 Jahren nach Erfindung des Webs vielen Banken immer noch Konzepte zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen fehlt. Tatsächlich ist es so, dass lange Zeit die Zukunft des Bankings nicht richtig eingeschätzt wurde; es wurde viel zu lange darauf gewartet, dass einer der großen Internet-Konzerne wie beispielsweise Amazon, Microsoft oder Google selbst in den Bankensektor treten und eigene, rein online tätige Bankinstitute gründen würde.

Auch nach über 20 Jahren ist das immer noch nicht geschehen und hört man den Unternehmensführern der oben beispielhaft genannten Internet-Konzerne zu, dann weiß man auch, warum: Das Betreiben einer Bank lag und liegt nicht im Interesse der großen Internet-Konzerne, die untereinander in starkem Wettbewerb stehen und auf die Wünsche ihrer Kunden extrem flexibel reagieren müssen. Eine eigene Bank würde diesen Unternehmen keinerlei Vorteile bieten und sie im Gegenzug durch die nicht zu unterschätzenden Regulierungsanforderungen eher behindern.

Nun wird beim Blick in den Rückspiegel selten klar, was in der Zukunft passiert - mit einer großen Ausnahme: Der Zahlungsdienstleister PayPal, der innerhalb weniger Jahre aus einem kleinen Startup aus Estland zu einem Global Player in Sachen Online-Zahlungen geworden ist. PayPal stammt aus der Frühzeit des World Wide Webs und wurde noch weit vor dem Smartphone-Zeitalter entwickelt, ist heute aber nicht nur im E-Commerce und Online-Banking nicht mehr wegzudenken, sondern auch in klassischen Zahlungen am Point of Sales - eben durch das Smartphone. Das ist nämlich mit der PayPal-App und einem PayPal-Account das schlagartig millionenfach vorhandene Zahlungsterminal geworden.

Was vielen FinTechs fehlt (und auch PayPal anfangs fehlte) sind lediglich Aggregatoren für sehr große und möglicherweise global anzusetzende Zielanwendungen. Im Falle von PayPal war der Aggregator das E-Commerce-Unternehmen eBay, das im Juli 2002 den Zahlungsdienstleister übernahm und weiterentwickelte.

Etablierte Banken tun sich mit dem Aggregieren von FinTechs, also mit dem “Hosten” von kleinen und innovativen Finanz-Startups, immer noch schwer. Es gibt jedoch bereits eine ganze Reihe von Inkubatoren wie beispielsweise die spanische Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) oder in Deutschland die Commerzbank-Tochter Comdirect, die in ihrer “Startup-Garage” FinTech-Ideen Raum gibt. Die meisten dieser FinTechs verbindet, dass sie mit ihren eigenen Finanzmarktlösungen und Anlageformen nicht den Haftungs- und Beratungsregelungen unterliegen, wie normale Banken. Dafür liefern FinTechs mit agilen Entwicklungsansätzen erheblich flexiblere und kundenorientiertere Lösungen für stark fokussierte Problemstellungen.

Unser Ansatz daher: Die Digitalisierung in Banken vorantreiben, um so überhaupt etwas gegen den disruptiven Trend von FinTechs entgegenzusetzen. Das sollte aber keinesfalls die Einbindung von FinTech-Innovationen ausschließen.

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